Leoni hat sich auf ein Abenteuer eingelassen: Sie verliess die Schweiz, um in Deutschland an der renommierten Manuel Fritz Modeschule Modedesign zu studieren. In diesem Interview spricht sie über ihr neues Leben in einer neuen Stadt, ihre kreativen Herausforderungen und die persönlichen Veränderungen, die ihr Studium mit sich bringt. Von kulturellen Überraschungen bis zu ihrem Lieblingsprojekt – einem raffinierten Etuikleid – nimmt Leoni uns mit auf ihre Reise und gibt authentische Einblicke in ihren Alltag zwischen Stoffen, Stilen und Inspiration.
1. Was hat dich dazu bewegt, die Schweiz zu verlassen und in Deutschland Modedesign zu studieren, und wie war es, diesen Schritt zu wagen?
Tatsächlich hat mich eine Instagram-Werbung nach Deutschland gebracht. Meine Modeschule hatte eine Anzeige geschaltet, die mich an meinen Kindheitstraum erinnerte. Schon als kleines Kind interessierte ich mich für Mode, doch mit den Jahren geriet dieser Traum, Modedesignerin zu werden, irgendwie in den Hintergrund. Ich hatte das Gefühl, dass er wohl immer ein Traum bleiben würde. Als ich dann die Werbung sah, ging plötzlich alles sehr schnell. Ich erzählte meinen Eltern davon, und sie sagten sofort, dass sie mich gern unterstützen würden. Einmal hörte ich eine Frau sagen, dass sie bei großen Entscheidungen oft einfach das tat, was sie für richtig hielt, ohne es lange zu hinterfragen. Und genau so war es auch bei mir: Nachdem ich die Werbung gesehen hatte, war mir ziemlich schnell klar, dass ich nach Deutschland ziehen musste. Ich wusste es nicht besser – also habe ich mich beworben und bin umgezogen.
2. Gab es kulturelle oder schulische Unterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland, die dich überrascht haben?
Ja, die gibt es auf jeden Fall. Als ich noch in der Schweiz lebte, dachte ich, dass Deutschland und die Schweiz recht ähnliche Länder seien. Tatsächlich sind sie jedoch ganz verschieden. Als ich in Deutschland ankam, wurden meine Nachbarn schon am ersten Tag zu einer Art zweiten Familie für mich. Die Menschen hier habe ich als sehr offen und hilfsbereit erlebt. Gleichzeitig spürt man jedoch vor allem auf den Straßen eine Art Dauerstress. Auch die Bürokratie – von der Anmeldung bis zu den verschiedenen Ämtern – fand ich herausfordernd, obwohl ich die deutsche Sprache bereits beherrschte. In der Schweiz lief das alles viel unkomplizierter ab. In der Schule war ich sehr überrascht, dass mein Fachabitur in Gestaltung und Kunst nicht als Fachabitur in Deutschland anerkannt wurde. Stattdessen konnte ich nur meinen Schweizer Realschulabschluss auf einen deutschen erweitern. Anfangs konnte ich das gar nicht nachvollziehen. Doch als wir dann in meiner Schule Mathematikunterricht hatten – der hier Teil des Stundenplans ist, da es sich um ein Berufskolleg handelt – verstand ich es. Wir beschäftigten uns mit Parabeln, ein Thema, das ich in der Schweiz erst in meinem Fachabitur durchgenommen hatte, hier aber schon in der 10. Klasse zum normalen Schulstoff gehört. Ich war gleichzeitig schockiert und fasziniert. Ich hätte nie gedacht, dass das Schweizer Bildungssystem so anders ist. Besonders im Bereich Mathematik wurde mir hier gezeigt, dass ich mich auf eine neue Denkweise einlassen muss.
3. Wie würdest du das Lernumfeld an der Manuel FRITZ Modedesignschule beschreiben, und was schätzt du besonders daran?
Ich empfinde das Lernumfeld als sehr angenehm. Zum einen liegt das daran, dass in meiner Klasse jede*r so akzeptiert wird, wie er*sie ist, und in seiner*ihrer individuellen Persönlichkeit bestärkt wird. Zum anderen haben wir sehr kompetente Lehrkräfte. Auch die Ausstattung der Schule ist erstklassig und auf dem neuesten Stand. Wir haben Zugang zu modernen Geräten wie 3D-Druckern, 3D-Scannern, einem Fotostudio, einer Siebdruckwerkstatt und Plottern. Die Räume sind angenehm groß und werden von natürlichem Licht durchflutet. Wir dürfen die Infrastruktur der Schule in unserer Freizeit kostenlos nutzen, und oft stehen uns die Lehrkräfte auch außerhalb des Unterrichts für Fragen zur Verfügung – was keineswegs selbstverständlich ist. Besonders wertvoll finde ich, dass viele Dozenten aus verschiedenen Berufsfeldern kommen und so ihr Fachwissen aus der Praxis mit uns teilen. Man merkt, dass sie ihre Arbeit mit Leidenschaft ausüben, und das bereichert unser Lernen enorm. Wir bekommen dadurch ein viel breiteres Spektrum an Wissen vermittelt, als ich es von anderen Schulen gewohnt bin.
4. Hast du ein Projekt oder eine Designarbeit, die dir besonders am Herzen liegt, und was hat dich daran inspiriert?
In der Schule arbeiten wir oft an Projekten, in denen wir bestimmte Fachrichtungen vertiefen. Eines dieser Projekte drehte sich um das Thema ‚Kleid‘. Unsere Aufgabe war es, ein schlichtes Etuikleid zu entwerfen, das dennoch etwas Besonderes an sich hat. Ich persönlich mag Etuikleider eigentlich gar nicht und fand sie immer schrecklich – aber durch dieses Projekt habe ich begonnen, ihnen etwas abzugewinnen. Ich suchte nach kreativen Möglichkeiten, die Grundvorgaben der Schule auf eigene Weise umzusetzen. Um das Kleid besonders zu gestalten, habe ich mit Abnähern experimentiert, die oft zur Anpassung und Formgebung eingesetzt werden. Dabei kam ich auf die Idee, den Brustabnäher mit dem Taillen- und Hüftabnäher über Kreuz zu verbinden, was eine schöne Kurvenlinie ergab. Was ich zu dem Zeitpunkt jedoch noch nicht wusste: Es ist sehr anspruchsvoll, Kurven zu nähen, da sich der Stoff dabei leicht dehnen kann. Um die Schnittführung zusätzlich hervorzuheben, wählte ich zwei unterschiedliche Materialien – Baumwollpopeline und ein Leinengewebe. Auch hier lernte ich etwas Neues: Materialien mit unterschiedlicher Elastizität lassen sich schwer kombinieren, da dies zu größeren Dehnungen und Verzerrungen führen kann, vor allem in den Rundungen. Dieses Kleidungsstück haben wir schließlich in einer Klausur genäht, und es ist mittlerweile eines meiner Lieblingswerke geworden. Ich nannte das Kleid damals ‚Dress Desserd‘, weil ich oft ans Essen denke. Nach ein paar Monaten betrachtete ich das Werk und seinen Namen erneut und entdeckte, dass ‚Desserd‘ rückwärts gelesen ‚Dressed‘ ergibt. Seitdem mag ich das Kleid noch viel mehr. Durch diese Arbeit habe ich gelernt, dass auch Aufgaben, die man anfangs nicht mag, in etwas Wunderschönes verwandelt werden können.
5. Inwiefern hat dich das Studium des Modedesigns persönlich verändert oder beeinflusst, sei es im Denken, Stil oder Selbstbewusstsein?
Ich habe gelernt, dass das Wertvollste, was ich besitze, meine Zeit ist. Zeit ist immer knapp, doch jede*r von uns hat es in der Hand, sie sinnvoll einzuteilen. Eine wichtige Erkenntnis für mich war auch, dass es produktiver ist, Pausen einzulegen, anstatt durchzuarbeiten. Deshalb habe ich begonnen, sonntags einen analogen Tag einzulegen, an dem ich keine digitalen Geräte nutze. An diesen Tagen kann ich in Ruhe und Stille zur inneren Ausgeglichenheit finden. Das hilft mir, über die ganze Woche hinweg aufnahmefähig zu bleiben, meine Umwelt bewusst wahrzunehmen und mich von früh bis spät voll in meine Projekte einzubringen. Trotz des Schulstresses – und ich glaube, ich habe noch nie so viel gearbeitet wie in den letzten zwei Jahren – fühle ich mich hier immer mehr wie ich selbst. Ich lerne mich persönlich besser kennen und auch, mich selbst wertzuschätzen.
Leonis Geschichte ist eine Hommage an den Mut, Träume zu verwirklichen, und daran, wie wichtig es ist, manchmal einfach ins kalte Wasser zu springen. Ihre Erfahrungen lassen uns erinnern, wie viel Schönheit darin liegt, Neues zu wagen und darin ein Stück von sich selbst zu finden.
INSTAGRAM: @THATLIONFISH
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